23.05.2019 von Maike Conrads & Torben Honigbaum

Auch in diesem Jahr waren wir wieder mit einigen Kolleginnen auf der republica in Berlin. Das Motto war "tl;dr" - too long, didn't read. Durch die Erweiterung des Veranstaltungsgeländes war das Angebot größer als in den Jahren zuvor - an 24 Orten wurden parallel Talks, Diskussionen und Workshops angeboten. In diesem Artikel wollen wir euch einige unserer Favoriten aus dem Programm vorstellen.

Die re:publica versteht sich als Ort, an dem die digitale Gesellschaft zusammenkommt, sich austauscht und diskutiert. Das Motto "tl;dr" stellt sich gegen die verkürzte Darstellung von Themen und Debatten und ruft dazu auf, sich in der Tiefe mit Dingen auseinanderzusetzen.

Darum widmen wir die nächste re:publica der Langform, dem Kleingedruckten, den Fußnoten, der Kraft der Recherche, der Kraft der Kontroverse und der Dringlichkeit, die Themen, die uns spalten (oder vereinen!) NICHT zu vereinfachen.
-https://19.re-publica.com/de-

Cyber War, hybride Kriegsführung, Desinformation - Auseinandersetzungen zwischen Machtblöcken im digitalen Raum

Frank Rieger ist Sprecher vom Chaos Computer Club, Hacker, Autor und Internetaktivist. In seinem Track beschreibt er den Postmodernismus und seine Folgen - alles, was wir sehen und versuchen wahrzunehmen, hinterfragen wir. Es gibt keine Dogmen mehr, keine Wahrheit wird mehr anerkannt, es wird nicht akzeptiert, dass die Wissenschaft auch recht haben könnte. Mit sozialen Medien als Manipulationsplattformen, ohne feste Glaubenssätze in der Gesellschaft, beschreibt er, wie Postmodernismus als Waffe eingesetzt wird, spricht über russische Propagandamedien, Brexit, Impfgegner und Deep Fakes. Er resümiert, "Geschäftsmodelle, mit denen Hass profitabel wird, sind in einer demokratischen Gesellschaft inkompatibel und dagegen müssen wir etwas tun".

The Algorithmic Boss

Alex Rosenblat ist Technologie-Ethnographin am Forschungsinstitut Data & Society in New York City. Sie hat Uber-Fahrerinnen in den USA und Kanada über mehrere Jahre begleitet und die Forschungsergebnisse in ihrem Buch "Uberland: How Algorithms are Rewriting the Rules of Work" veröffentlicht. In ihrem Track bringt sie Beispiele zu den Auswirkungen von algorithmisch organisierter Arbeit. Denn Uber bezeichnet sich selbst als Technologie-Unternehmen und seine Fahrerinnen als Entrepreneure. Doch in der Realität agieren Algorithmen als Entscheider. Die Uber-Fahrerinnen sind abhängig von deren Entscheidungen - welche Höhe der auszuzahlende Anteil des Zahlungsbetrags hat, welche Fahrten zugeteilt werden und welche Route die beste ist. Die im Raum stehende „Drohung“ bei Nichtbeachtung oder Beschwerden ist die Deaktivierung des Fahrerinnen-Accounts.

Ich tu nur so - warum Arbeit zur Simulation wird

Mads Pankow arbeitet als Policy Advisor für das Bundesfamilienministerium, freiberuflicher Journalist und Politikberater und beschäftigt sich mit den Themen Digitale Gesellschaft und Künstliche Intelligenz.

Er sagt, Simulation und reale Arbeit wird man bald nicht mehr unterscheiden können.
Zum Einen ist ein Großteil der Jobs, die wir heute leisten, überflüssig. Die Marktwirtschaft und Bürokratie erzeugen immer mehr Bullshitjobs. Doch lassen sich die Jobs nicht einfach abschaffen, denn der Bedarf nach Arbeitstätigkeit existiert - Menschen verbinden damit Identität und Selbstwirksamkeit. Aber viele Unternehmen haben nicht genug Arbeit für das vorhandene Arbeitsbedürfnis. In der Zukunft wird auch ein simulierter Arbeitstag zu Zufriedenheit führen.

Zum Anderen ist in der Produktion Künstliche Intelligenz zwar schon vielfach im Einsatz. Aber die Sinnreflektion fehlt der KI, der Mensch ist als Troubleshooter weiterhin nötig. Trainiert werden für den jederzeit nötigen Einsatz kann nicht mit Büchern, aber mit Simulation der Praxis. Dafür gibt es verschiedene Wege: VR, AR oder Simulatoren.

#30mit30 Kampagne: So gelingen 30 Prozent Frauenanteil in der Führung

Die Digital Media Women suchen mit ihrer Kampagne 30 Unternehmen, die erfolgreich daran gearbeitet haben, ihren Frauenanteil in Führungspositionen auf 30% zu erhöhen. Theresa Kretzschmar von Spreadshirt und Katharina Rohde von ThoughtWorks diskutieren gemeinsam mit Maren Martschenko von DigitalMediaWomen, welche Vorgehensweisen dabei funktionieren, was erste Schritte sein können und welche Veränderungen stattfinden.

Erst ab 30 Prozent Anteil verliert eine Gruppe ihren Minderheitsstatus und Geschlechterstereotype ihre Wirkung.
Den Umgang von ThoughtWorks fand ich spannend, sicher auch, weil es einige Parallelen zu neuland gibt - Projektarbeit, IT-Branche, Unternehmensgröße. So ist auch bei ThoughtWorks das Problem, dass man bei einem Gesamt-Frauenanteil von 20% oftmals alleine als Frau in einem Team ist. ThoughtWorks arbeitet gezielt am Frauenanteil - für alle Rollen gibt es eine Frauenquote, der Fokus liegt beim Recruiting auf Juniorinnen, denn wer Frauen in Leadership haben möchte, muss erstmal Frauen in der Profession haben. Ziel ist dabei eine "Inklusive Kultur", bei der es nicht nur darum geht, Frauen gleichberechtigt zu behandeln, sondern allen im Unternehmen die gleichen Chancen einzuräumen und darüber aufzuklären, wie Diskriminierung alltäglich passiert.

Ware Wahrheit - das Millionengeschäft mit zweifelhafter Wissenschaft

Im Juli 2018 ergaben Recherchen von NDR und SZ-Magazin zum "Predatory Publishing", wie sogenannte Raubverlage genutzt werden, um pseudowissenschaftliche Studien zu verbreiten. Diese Studien, für den Laien nur schwer von seriösen wissenschaftlichen Publikationen zu unterscheiden, beziehen oft eine Gegenposition und werden gezielt von Lobbygruppen genutzt, um Zweifel zu streuen. Die Journalisten Svea Eckert, Peter Hornung und Till Krause zeigen, wie einfach es ihnen im Rahmen ihrer Recherchen gelungen ist, generierte Studien voller "Quatsch" den Stempel „wissenschaftlich geprüft“ zu verpassen, was seit der Berichterstattung im letzten Jahr geschehen ist und wie man solche Studien identifiziert.

Weitere Tracks

Kulinarische Tipps

Die letzten Jahre haben wir traditionell die Abende mit einem späten Essen beim Indonesier Mabuhay ausklingen lassen - hervorragendes Essen in landestypischer Atmosphäre mitten im Plattenbau. Leider schließt der Wirt das Lokal. Daher haben wir uns schon mal nach Alternativen für die nächsten Jahre umgeschaut.

  • BRLO
    Moderne Brauerei mit großer Fassbier-Auswahl und leckerem Essen. Man bestellt Platten für den gesamten Tisch, sehr gut für Vegetarier geeignet.
  • Küche Bar
    Cocktailbar mit Klingel-Einlass. Man sitzt wie bei Großmutter in der Keller-Küche. Tolle, ausgefallene Cocktails mit passendem kleinen Snack dazu. Auch die alkoholfreien Cocktails sind ein Highlight.

Die AutorInnen

Maike Conrads
Seit 2014 arbeite ich in verschiedenen Rollen bei neuland. Mich bewegen vor allem die Themen Selbstorganisation, Moderation, Agiles Arbeiten und Visualisierung.
Torben Honigbaum
Teammensch aus Überzeugung, Softwareentwickler mit Hang zur Architektur. Weiß um die Bedeutung organisatorischer Prozesse und die Bedeutung der Mitarbeit des Kunden. Aktuell auf dem Weg zu neuen Ufern ...