02.04.2019 von Simone Kämpf

Inklusion bedeutet eine Sonderbehandlung von Menschen mit Beeinträchtigungen irgendeiner Art. Inklusion wird von Inklusionspädagogen oder Inklusionsbeauftragten umgesetzt. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich Fachkräfte widmen. Inklusion ist etwas, was von Nichtbehinderten mit Behinderten gemacht wird. Wirklich?

Inklusion sollte Alltag sein - nicht, weil irgendwo "Inklusion" herrscht, sondern weil es keine "Exklusion" gibt. Zumindest ist das das Ziel, aber der Grat zwischen Rücksichtnahme und Exklusion ist schmal. Als Autistin bin ich schon mit vielem in Berührung gekommen, was sich zwischen den Polen "keine Rücksichtnahme" und "Rücksichtnahme um den Preis der Bevormundung" bewegt.

In der öffentlichen Debatte um Autismus geht es oft darum, wie Autismus therapiert werden kann (in der Regel mit dem Ziel, dass Außenstehende den Autismus eines Einzelnen nicht mehr so schnell bemerken), und wie spezielle sichere Umgebungen für Autisten aufgebaut sein müssen, damit Autisten sich wohl fühlen. Unterschwellig wird häufig mittransportiert, dass Autisten sehr viel spezielle Betreuung brauchen und ihre autismustypischen Verhaltensweisen in normalen sozialen Kontexten unerwünscht sind.

Dabei geht es auch anders.

Ich arbeite als Autistin ohne Betreuung in einem normalen Unternehmen. Nicht, weil ich nur sehr wenig betroffen bin. Auch nicht, weil ich niemals Unterstützung brauche. Sondern einfach, weil ich das, was ich brauche, von meinen KollegInnen und Vorgesetzten bekomme. In einer Firma, die auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nimmt, in der wahrlich offen kommuniziert werden kann, weil es kein Hierarchiegeschacher gibt, und in der Zeit da ist, einander um Rat zu fragen.

Ich brauche keinen ausgebildeten Pädagogen als Coach, wenn ich meine direkten KollegInnen fragen kann, wie sie in der und der Situation reagieren würden oder sie bitten kann, für mich eine E-Mail zu schreiben.
Mein Autismus wird hier als Teil meiner Persönlichkeit, nicht als Störfaktor gesehen.
Ich habe Schwierigkeiten, Blickkontakt zu halten? Dann gucke ich halt woanders hin. Meetings, die länger dauern als normal, sind ein Problem für mich? Dann gehe ich eben raus. Und Timeboxing war ohnehin ein Thema, an dem wir als Team noch arbeiten wollten.

Weltautismustag? Finde ich super. Wir sind hier, und wir sind gekommen, um zu bleiben. Da ist es super, wenn alle Beteiligten, Autisten wie Nichtautisten, verstehen, wie die jeweils Anderen in etwa ticken. Und nur weil mein Knall einen Namen hat, heißt das auch nicht, dass ich die Einzige mit einem Knall bin - und andere Knalle möchten auch gehört werden. Wenn es um die artgerechte Haltung von Menschen geht, bin ich daher immer noch dafür, die jeweiligen Personen selbst zu fragen. Genau wie Nichtautisten sind Autisten letzten Endes einfach nur Individuen.



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