15.08.2023 von Ralf Zarsteck

Rhetorikschulungen im Betrieb? Werkzeugausgabe für die Arbeit an der eigenen Karriere, im Team oder Vertrieb? Eckige Bewegungen, einstudierte Gesten, eindringliche Blicke und Plattitüden, die direkt aus dem Leitfaden “Die 100 besten Tricks der Sprachmanipulation” stammen? Nichts für uns. No way. - Wir berichten über eine Reise ins Land der krassen (Fehl-)urteile, peinliche Momente, befreites Lachen und viel Spaß mit Sophia von Steife Brise.

Vor-Urteile

“Bei neuland brauchen wir keine Rhetorik. Hier können alle so reden wie sie wollen, kommen an, werden verstanden und können sich einbringen.” So war das Common Sense oder mindestens Meinung in unserer kleinen, aber feinen Softwarebude. Und wie alle 100%igen Sicherheiten war das nicht nur unwidersprochen klar, sondern auch noch grundfalsch.

Der Reihe nach. Auch bei uns gibt es Rampensäue, Naturtalente, Evangelist*innen und viele überzeugende Überzeugungstäter*innen. Aber eben auch Intros, bescheiden-zurückhaltende, leise und leicht zu verunsichernde Mitarbeitende. Die einen dominieren jede Runde, die anderen eben nicht. Die einen tragen bei, was geht, die anderen tragen nicht bei, was ginge.

Und wir alle haben (und das in aller Regel gerne) zudem mit unseren Gesprächspartner*innen im Betrieb, bei Partnern und Marktbegleitern und insbesondere bei unseren Kunden zu tun. Reden ist Teil unseres Handwerks. Stammeln kennen alle. Mein lieber und hochgeschätzter Kollege Fabricius (ja, der mit den isometrischen Zeichnungen und Drucken) sprach mich an, nachdem er einen seiner Auftritte als neuland Mitarbeiter im Gespräch bei einem Interessenten als suboptimal empfunden hatte.

“Ich hatte mir eine so schöne Storyline überlegt. Aber, irgendwie bin ich damit überhaupt nicht durchgedrungen. Und je mehr ich versucht habe, desto mehr habe ich mich verhakt. Wieso passiert Dir sowas nie?”. Meine Antwort: “Mir passiert das auch. Und zwar immer mal wieder. Und warum es manchmal gut klappt, kann ich eigentlich hinterher gar nicht mehr erklären”. Wir kamen von einem zum anderen - eine Reflektion tat not, wir wollten die Meinung von Expert*innen einholen.

Gutes Reden nützt

Zunächst aber haben wir den Markt getestet und im Unternehmen rumgefragt. Wie nicht anders zu erwarten, konnte fast jede und jeder über schlechte Meetings, verunglückte Wortbeiträge, komplettes Missverstehen aber auch das jeweilige Gegenteil berichten. Unterstützung wäre vielen willkommen. Profis könnten doch helfen. Genauso wurden grundsätzliche Bedenken gegen “Angelerntes” und “Künstliches” ausgedrückt. Als Sprech- und Sprachautomat wollte sich keine*r zugerichtet sehen.

Die Wünsche waren mannigfaltig: Konferenzen souverän bespielen, interne Vorstellungen auf den Punkt liefern und sich nicht verhaspeln, Pitches so gestalten, dass alle im Auditorium an deinen Lippen hängen, bei informellen Anlässen glänzen und endlich den Schwiegervater in spe bei Bedarf an die Wand labern - dass uns besseres Reden nützen könnte, war klar. Wie man besseres Reden am besten lernen könne, war schon eher eine offene Frage.

Dabei kann man leicht eine Schicht tiefer graben: auch in der Softwareentwicklung ist Kommunikation und damit “Reden können” eine Basisqualifikation. Wir müssen unsere Kunden von unseren Lösungen überzeugen und sie dafür vermitteln können. Wir müssen im Team und im Unternehmen kommunizieren und - jede*r, die*der schon mal etwas mit Erklärungen verschlimmbessert hat, weiß das - gutes Reden ist eine Quelle von Effizienz und Produktivität.

Dass der Workshop mich dann doch so sehr zum Verlassen meiner eigenen Komfortzone gebracht hat, hätte ich vorher nicht erwartet. Gerade im beruflichen Kontext war das zuerst etwas befremdlich. Trotzdem war es aber genau diese Überwindung der eigenen Reserviertheit, welche ich aus dem Workshop mitnehmen konnte und hoffe, auch zukünftig in meinen Alltag einbringen zu können.
-Lars Lamperski (Kursteilnehmer)-

Wer lehrt uns das?

Was uns ganz schnell klar war: Wir müssen jemanden finden, der uns hilft, unsere Kenntnisse und Fähigkeiten zum Glänzen zu bringen. Wir haben nicht das Problem, dass wir nichts zu sagen haben und deshalb das Wortklingeln lernen müssen. Wir haben eher das Problem, dass wir das, was wir wissen und können, besser und mit Blick auf das gegenüber vermitteln wollen. Wir wollen uns verständlich machen, nicht jemanden mit sprachlichen Tricks in die Irre führen.

In diesem Kontext kam mir ein ehemaliger Kollege in den Sinn, der mit Improtheater seine Freizeit verbrachte und inzwischen die Tastatur vollständig gegen die Bühne getauscht hat. Sein Angebot des gestaltenden Spiels für Unternehmensleitende fiel mir sofort ein.

Der Herr P. hatte keine Zeit und so suchten wir im gar nicht mal so kleinen Feld ähnlicher Angebote herum und fanden schließlich mit den Kolleg*innen von Steife Brise genau den Deckel, der auf unseren Topf passt. Das Hamburger Kollektiv bietet maßgeschneiderte Schulungen an und kann mit seinen erfahrungsgesättigten Bühnenprofis eigentlich überall wertvolle Beiträge liefern.

Steife Brise – Improvisation. Theater. Training. Foto: Gerrit Meier

Inzwischen haben wir fünf eintägige Inhouse-Workshops bei uns gemacht und dabei viel gelernt. Die Stillen können jetzt auch manchmal laut, die Lauten können zwischendurch auch mal leise, die Newbies stehen jetzt vorne und die alten Zirkusponys haben den einen oder anderen neuen Trick gelernt.

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"In einer Welt des ständigen Austauschs wird wahre Kommunikation zur Kunstform. Sie erfordert nicht nur Worte, sondern auch Empathie, Verständnis für sich und andere und die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen."
Sophia Baumgart, Businesstrainerin und Schauspielerin "Steife Brise"
Foto: Gerrit Meier

Über seinen Schatten springen

Die Kombination aus Theorie und Praxis war wirklich großartig. Von Spielen und Sprachübungen aus dem Theaterkontext, bei denen wir in der Gruppe als lautstarke Affen durch den Raum gelaufen sind, bis hin zu theoretischem Hintergrundwissen zur Stimme war alles dabei. Auch die Verbindung von Körper und Geist, die insbesondere beim Sprechen vor Menschen entsteht, wurde eindrucksvoll vermittelt. In den einzelnen Übungen konnten wir beobachten, wie stark sich z.B. durch Bewegung oder innere Aufregung die Stimme und Körperhaltung verändern kann. Gleichzeitig haben wir Tipps erhalten, wie wir selbst darauf Einfluss nehmen können, um wieder Kontrolle über sich zu gewinnen.

Auch die wilde und zufällige Gruppenzusammenstellung war toll. Der Lern-Buddy, mit dem*der wir als Zweiergruppe die geheimsten Gedanken und die peinlichsten Videoaufnahmen vertraulich teilen durfte, war eine Riesenhilfe. Unsere Teamerin Sophia so empathisch und bei der Sache, dass die Zeit im Flug verging. Und das Feedback der Gruppe war gerne mal direkt und klar, aber immer wertschätzend und bereichernd.

Der Rhetorik-Workshop war einer der spannendsten, die ich bisher besuchen durfte. Es hat viel Überwindung gekostet, sich wirklich zu zeigen. Sowohl die Stimme als auch Gestik und Mimik haben eine enorme Kraft und lassen tief blicken. Umso schöner war die daraus entstandene Verbindung innerhalb der Gruppe. Das wertschätzende Miteinander war dabei für mich zentral.
-Farina Elenschneider (Kursteilnehmerin)-

Was uns besonders gefallen hat

  • “Wir wollen Euch nicht ändern. Wir wollen, dass Ihr Eure Stärken erkennt und vor dem Publikum zeigt.”
  • “Jede*r kann reden, wenn sie*er etwas zu sagen hat.”
  • “Am allergeilsten sind die Fehler. Die muss man richtig abfeiern.”
  • “Reden ist körperlich”.
  • “Wer nicht will, muss nicht. Warte auf den richtigen Moment.”
  • “Möchte jemand was sagen?”

Insgesamt können wir von einem abwechslungsreichen und praxisorientierten Seminar für diejenigen berichten, die sich gezielt der verbalen und nonverbalen Kommunikation bewusst werden und mittels hilfreichen Übungen und der fertigen Rede, Selbstsicherheit gewinnen wollen. Fabricius hat eine tolle Erweiterung unseres Know-hows ermöglicht. So wie wir alle graphic recording machen oder uns in Teamfähigkeit und Vertrauenskultur üben, so lernen jetzt alle, die das wollen, “gutes Reden” - und das nicht nur einmal.

Danke an alle, die mitgemacht haben und mitmachen.

Der Autor

Ralf Zarsteck
macht Projekte seit 1992, eCommerce seit 2000, 2006 neuland Mitgründer. Daselbst inzwischen Alt-Bauer.
Betrachtet agiles Arbeiten als neuland Markenkern.
Ansonsten privat PV-begeistert, fährt Fahrrad ohne Strom och älskar trädgard och friluftsliv.