06.10.2022 von Madita Thomas

Das Agilitätsraster ist ein eigenentwickeltes Werkzeug, um die agile Arbeitsweise eines Teams in der Softwareentwicklung zu analysieren. In diesem Artikel geht es um die konkrete Anwendung des Agilitätsrasters sowie Besonderheiten und die Zukunft des Rasters.

Unsere Kollegin Jasmin Sommer, die seit 2018 in der Projektleitung bei neuland arbeitet, hat das Agilitätsraster für ihre Masterarbeit "Agilitäts-Ausprägungen in der Softwareentwicklung" 2019 erarbeitet. Ihr Gedanke dahinter war, die unterschiedlichen agilen Arbeitsweisen der Teams bei neuland im Zusammenhang mit deren Rahmenbedingungen aufzuzeigen - diese aber nicht nach gut oder schlecht einzuteilen. Mithilfe des Agilitätsrasters kann die Arbeit eines Teams analysiert - NICHT bewertet - werden.

Madita Thomas aus dem neuland PR-Team hat mit Jasmin über das Agilitätsrasters gesprochen. In einem ersten Teil ging es bereits um die Fragestellung, was das Agilitätsraster ist und wie es entstanden ist. In diesem Artikel soll es um die Anwendung sowie Besonderheiten und die Zukunft des Rasters gehen.

Madita: Um an der Entwicklung des Agilitätsrasters anzuknüpfen: Was ist das Ziel des Agilitäsrasters?

Jasmin: Dass ein Team in der Softwareentwicklung seine agile Arbeitsweise analysieren und aufzeigen kann. Was ganz wichtig ist, dass v.a. ein gemeinsames Verständnis dieser Arbeitsweise daraus resultiert, denn die Erfahrung hat bisher gezeigt, dass die Teammitglieder ihre Arbeit sehr unterschiedlich einstufen.

Mit dem Agilitätsraster wollen wir ein Gespräch im Team erzeugen und, dass es sich darüber einig ist, wie sie arbeiten und sich dementsprechend selbst reflektieren, sowie (bei Bedarf) optimieren können.

Wie wird das Agilitätsraster angewendet?

Wir führen das Agilitätsraster als einen Workshop durch, der durch drei Agile Coaches betreut und vorbereitet wird. Zunächst führen wir mit zwei bis (optimalerweise) drei Mitarbeitenden eines Teams ein Interview.

Wir wollen gerne einen Querschnitt des Teams dabei haben, bspw. Productowner*in, Scrummaster*in, auf jeden Fall auch Entwickler*innen. Damit das Team das Ergebnisbild nicht bewusst beeinflussen kann, ist es ein offenes Interview.

Der Querschnitt des Teams, sorgt notfalls schon im Interview für eine Diskussion zwischen den Teammitgliedern, sodass hoffentlich auch keine einzelne subjektive Meinung das Ergebnisbild beeinflusst. Die Diskussionen im Interview hatten wir tatsächlich sogar schon. Um die direkte Beeinflussung zu minimieren, nennen wir die einzelnen Praktiken gar nicht wörtlich im Interview, sondern lassen uns in der Rolle als neues Teammitglied abholen. Was macht das Team überhaupt? Wie entwickelt es ein Feature? Wir versuchen deren agile Arbeitsweise also spielerisch zu erfahren.

Dabei haben wir eine Person, die interviewt, eine, die protokolliert, und eine Person, die sich auf die Nebensätze im Gespräch fokussiert, um auch Kleinigkeiten zu analysieren. Wir achten während des Interviews natürlich darauf, dass wir indirekt jede Praktik abgefragt haben. Wenn das Interview geführt wurde, setzen wir drei Interviewer*innen uns zusammen und bewerten, ob die Praktiken erfüllt sind oder nicht. Das endet nicht selten in Diskussionen, weil nicht immer jede Praktik klar zu erkennen ist und da ist es dann wichtig, dass jemand dabei ist, der auf Nebensätze achtet. Aber am Ende sind wir uns bisher eigentlich immer einig gewesen, ob wir es als erfüllt ansehen oder nicht.

Im Anschluss erstellen wir mithilfe einer Excel-Tabelle das Ergebnisbild und schauen nochmal, welche Besonderheiten auffallen, ob wir erste Empfehlungen oder Handlungstipps haben. Mit diesen Anreizen gehen wir dann in einen Workshop, bei dem das gesamte Team dabei sein sollte. Dort zeigen wir erstmal das Ergebnisbild, holen uns eine Meinung des Teams ein und besprechen dann die einzelnen Achsen. Wir sprechen darüber, warum wir die Durchführung oder eben nicht-Durchführung einzelner Praktiken so beurteilt haben und ob das Team sich so, wie das Ergebnis ist, optimal oder verbesserungswürdig empfindet. Das Team kann dabei immer nachfragen und mit diskutieren, vielleicht müssen wir irgendwann auch mal die Durchführung einer Praktik nach der Diskussion sogar anpassen. Da sind wir offen, es ist aber bisher noch nicht passiert. Im Workshop selbst geht es ja explizit sogar um die Diskussion im Team und gerne auch mit uns. Wir können dem Team auch Anreize geben, wenn es nichts zum diskutieren findet und kritisch nachfragen. Aber eigentlich soll das selbst Team eine Diskussion führen und wir sind nur unterstützend dabei. Die Ergebnisse, Begründungen und Hilfestellungen, die wir ausgearbeitet haben, bekommt das Team immer noch als Dokument und Übersicht mit an die Hand.

Bisher haben diese Workshops erstmal neuland-intern stattgefunden, da wir erproben wollten, ob das überhaupt funktioniert. Wir sind aber jetzt an dem Punkt, an dem unser Agilitätsraster bzw. die Ergebnisbilder funktionieren und wir sagen können, wir würden damit auch gerne nach außen gehen.

Was ist die Besonderheit am Agilitätsraster?

Die Besonderheit liegt darin, dass ein Team nicht bewertet oder mit anderen verglichen wird. Es analysiert sich sozusagen selbst und kann sich anhand der von ihnen gelieferten Informationen und Ergebnisse am Ende auch selbst optimieren, wenn Bedarf besteht. Besonders ist, glaube ich auch, dass der organisatorische Rahmen einbezogen wird. Und dass es einen Zusammenhang der agile Praktiken und der Prinzipien gibt. So explizit hatte ich das bisher noch nirgends gesehen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Agilitätsraster und Nachhaltigkeit?

Es ist in dem Sinne nachhaltig, dass überlegt wird, ob die angewendeten Praktiken im Team sinnvoll sind und einen Mehrwert haben. Wenn das Team sich also am Ende entscheidet, ihre Energie eher in etwas anderes zu stecken als in eine Praktik, die für sie eigentlich weniger zielführend ist, dann kann dieser Entschluss für das Team und die Arbeit nachhaltig sein.

Also keine Nachhaltigkeit im Sinne der Umwelt, sondern eher mit Blick auf nachhaltiges Arbeiten oder eine nachhaltige Firmenstruktur. Dadurch können eigene Kapazitäten und Ressourcen eingegrenzt und gespart werden.

Wie sieht die Zukunft des Agilitätsrasters aus? Wird es sich weiterentwickeln?

Der nächste Schritt ist erst einmal zu sagen, dass wir damit auch außerhalb Erfahrungen sammeln möchten. Ich glaube, dass es lange Zeit so Anwendung finden kann, wie es ist, aber natürlich muss man es auch immer wieder neu überprüfen. Durch Corona bspw. hat sich vieles in der Arbeitswelt verändert, das ist auch ein Punkt, den das Agilitätsraster nicht vernachlässigen darf. Wir haben hier also auch schon Anpassungen vorgenommen und das wird sicher immer wieder mal vorkommen. Für das Team muss man sagen, ist es gut, wenn dieser Workshop in regelmäßigen Abständen, bspw. nach einem Jahr, wiederholt wird, um Veränderungen beobachten zu können.Man muss jedoch auch ganz klar sagen:

Jemand, der keine Softwareentwicklung durchführt, wird unser Raster nicht anwenden können, weil die Praktiken auf die Softwareentwicklung ausgelegt sind. Also wird es wahrscheinlich nicht über andere Branchen hinausgehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Jasmin!

Jasmin Sommer wird am 6. und 7. Oktober 2022 auf den XP Days in Stuttgart zu Gast sein und das Agilitätsraster vorstellen.

Für Fragen und weitere Informationen zum Agilitäsraster und der agilen Arbeitsweise stehen unsere Agile Coaches gerne zur Verfügung:
workshops@neuland-bfi.de
agilitaetsraster@neuland-bfi.de

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