Mit diesem Artikel machen wir Platz für ein Thema, das uns sehr wichtig ist und nicht nur heute am 8. März, dem internationalen Frauentag, mehr Sichtbarkeit verdient: Die Bedeutsamkeit und Unterpräsenz von Frauen in der IT-Branche. Wie wichtig dabei Vorbilder sind und welch destruktive Kraft gesellschaftliche Definitionen von Weiblichkeit und die darin liegenden Narrative haben, erzählen wir gemeinsam im Gespräch mit unseren Kolleginnen und Softwareentwicklerinnen Johanna und Inga. Und wieso wir uns auch im Jahr 2022 für dieses Thema noch ausdrücklich “Platz schaffen müssen”, versucht dieser Artikel zu beschreiben.

Wie alles begann

Bereits vor drei Jahren hat unsere Kollegin Anita in einem Blogartikel deutlich gemacht, wie wichtig die aktive Arbeit in einem Unternehmen und die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist. Um Euch inhaltlich mitzunehmen, wie all das entstanden ist, folgt hier ein kurzer Rückblick: Bei unserem neulandTag 2018 kam die Frage auf, wobei es seitens neuland mehr Unterstützung geben sollte. Die Antwort einer Kollegin darauf lautete: "Frauen in der Informatik". In der Runde fiel daraufhin direkt das Stichwort "Gilde" - das sind bei neuland AGs oder Gruppen, die eine Querverbindung zwischen den Teams darstellen und deren Mitglieder sich jeweils zu einem fachlichen oder technischen Thema austauschen.

Wir waren uns einig, dass wir neuland-intern kein offenkundiges Problem mit Sexismus haben, auch fühlen wir Frauen uns nicht diskriminiert. Im Gegenteil, das Arbeitsklima im Allgemeinen ist sehr gut, es herrscht ein wertschätzendes Miteinander unter allen Mitarbeitenden. Johanna berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen in der IT-Welt: “Zu Studienzeiten wurde ich öfter damit konfrontiert. Im Job wird, wenn meist extern davon ausgegangen, als Frau eher Teamleitung als Softwareentwicklerin zu sein. Ansonsten ist man im Team häufig die einzige Frau, so wie in meinem Fall. Das ist schon sehr schade.” Der Männerüberschuss bei neuland ist jedoch keine Ausnahme. Vor allem, weil es insgesamt so wenige Informatikerinnen in der IT-Branche gibt.

Wo liegt eigentlich das Problem?

Während der ersten Gildentreffen wurde festgestellt, dass alle ähnliche Probleme und Gedanken hatten. Inga gibt uns im Interview Einblicke darüber, wie sich manche Kolleginnen fühlen: “Wir sind oft unsicher und tragen das Gefühl in uns, etwas beweisen zu müssen oder auf dem Prüfstand zu stehen - eben weil wir Frauen sind.” Es wurde schnell sichtbar, wo das eigentliche Problem liegt: im strukturell verankerten Frauenbild, in der dichotomen Geschlechterordnung und den klassischen Stereotypen sowie der allgemeinen Unterpräsenz von Frauen in der IT-Branche.
Um diesem Problem entgegenzuwirken und zunächst für Sichtbarkeit zu sorgen, schafft die Gilde den nötigen Raum für Austausch und ein Gefühl des Miteinanders, wie uns Johanna im Interview verrät: “Mal ab vom Team über Dinge sprechen zu können und Erfolge in unserer Erfolgsrunde zu teilen, hilft total.” Auch Inga empfindet die Gilde als einen sicheren Ort und fühlt sich dadurch gestärkt. Sie erzählt von ihrem Weg in die Informatik und betont, wie wichtig Vorbilder dabei sind: “Ich hatte das Glück, eine Informatiklehrerin in der Schule zu haben. Und durch eine Informatikerin aus dem Bekanntenkreis, die ebenfalls bei neuland arbeitet, habe ich erst so richtig erfahren, wie spannend diese Branche ist.” Auch Johanna erzählt von ihrem persönlichen Weg zur Softwareentwicklerin: “Ich habe anfangs Medieninformatik studiert, weil ich dachte, Design wäre eher mein Ding. Im Studium wurde mir dann aber erst bewusst, dass ich viel eher die Logik dahinter verstehen wollte. Im Master habe ich mich dann spezialisiert, und so muss glaube ich jede:r die eigenen Wege finden.”

Beide sind der Meinung, dass die Vielfalt des Berufs auch heute noch viel zu selten sichtbar gemacht wird. Der Job in der Softwareentwicklung bietet so viel Freiraum und Flexibilität: Kreative Menschen können sich im FrontEnd entfalten, die Logik und Algorithmen dahinter verstecken sich im BackEnd und so können alle ihre Nischen und Begeisterung dafür finden. “Es ist ein kommunikativer Job im Team und es gibt viele Möglichkeiten. Punkte wie gute Arbeitszeiten, extrem gute Bezahlung, wodurch natürlich eine super flexible Lebensplanung möglich ist, müssen vermittelt werden”, sagt Johanna. Dass neben diesen Punkten bereits früher angesetzt werden muss, haben die beiden Entwicklerinnen anhand ihrer eigenen Erfahrungen aus Schul- und Studienzeiten verdeutlicht. Und um nun auch selbst Vorbilder für die nächste Generation zu sein und die nötigen Impulse dazu nach außen zu tragen, setzt die Frauen-Gilde in ihrer Arbeit gezielt auf Nachwuchsförderung, wie beispielsweise in Form von Workshops.

Pizza-Shop programmieren mit meetMINT@company

Im Februar hat unsere “Frauen in der Informatik”-Gilde im Rahmen des meetMINT@company-Programms einen Programmier-Workshop nur für Schülerinnen angeboten. Dieser Workshop richtete sich an Mädchen ab der siebten Klasse, egal, ob mit oder ohne Programmierkenntnisse. MeetMINT ist ein Programm der Hochschule Bremen, beim @company Format gibt es Kooperationen mit verschiedenen Unternehmen. Es zielt darauf ab, dass Schülerinnen in MINT-Berufe und -Studiengänge reinschnuppern und Vorbilder kennen lernen können. Außerdem werden durch die ersten Berührungspunkte mit den “Vorbildern” sowie neuland auch erste Kontakte geknüpft, die im besten Fall zu einem Praktikums- oder Ausbildungsplatz führen können.

Aufgrund der Corona-Pandemie hat der Workshop in diesem Jahr nur remote stattgefunden und war für zwei Stunden an zwei Tagen konzipiert. Nach einer kurzen Vorstellung unserer Kolleg:innen und neulands ging es auch schon los: “Wir wollten, dass die Schülerinnen möglichst viel selbst programmieren können”, erzählt Inga.

Mit kleinen Schritten schnell zum Ziel

Für die Vorbereitung des Workshops hat sich die Frauen-Gilde überlegt: Was hat uns damals beeindruckt? Oder was denken wir, beeindruckt Schülerinnen, was man in relativ kurzer Zeit selber programmieren kann? Klar war, dass es etwas sein muss, bei dem schnell ein Ergebnis, eine Oberfläche, sichtbar wird. “Also dass man zum Beispiel sieht, ach da habe ich jetzt einen Button oder ein Bild eingesetzt”, erklärt Johanna. Als Grundlage diente hier die Entwicklung eines Pizza-Online-Shops. In Kleingruppen aufgeteilt wurde direkt losgelegt, wie Johanna erzählt: “Sie durften dann selber über ein Online-Tool programmieren und haben Aufgaben bekommen. Wir wollten das Ganze so nah wie möglich an unserem Alltag halten. Deswegen haben wir uns überlegt, dass wir ein Ticketsystem mit Miro nachbauen, auf dem die Aufgaben draufstehen. Wir haben dann auch erklärt, dass wir genau so arbeiten, also dass wir zusammen an einem Thema arbeiten. Wir gucken zu zweit auf einen Bildschirm, nehmen uns ein Ticket, bearbeiten das und wenn das fertig ist, schieben wir es weiter.”
Die Workshop-Leiterinnen wollten weg vom Klischee behafteten Bild, dass ein:e Programmier:in den ganzen Tag alleine am Schreibtisch sitzt. Sie wollten zeigen, dass es Teamarbeit ist, und dabei v.a. auch die fehlende Präsenz von Frauen verdeutlichen.

Trotz Hürden kamen wertvolle Erkenntnisse zusammen

Da der Workshop das erste Mal remote stattgefunden hat, war einiges anders. Zum Beispiel musste mit Hürden gerechnet werden, die nicht unbedingt auftreten würden, wenn die Schülerinnen ins neuland-Loft kommen. Es musste also beispielsweise bereits vorab geklärt und sichergestellt werden, dass alle ein geeignetes Gerät zu Hause haben, um am Workshop teilnehmen zu können. “Das neuland-Büro ist ja sehr schön und das war dann natürlich total schade, dass wir die Teilnehmerinnen gar nicht einladen und ihnen das zeigen konnten. Das konnten wir dieses Mal nur durch Bilder auffangen und ein bisschen was dazu erzählen”, sagt Inga.

Trotz remote Workshop und einiger anfänglicher Hindernisse und Bedenken sind Johanna und Inga mit wichtigen Erkenntnissen aus dem Workshop rausgegangen. Vor allem die Begeisterung der Schülerinnen für Neues und Unbekanntes haben sie wahrgenommen. Ebenso die gegenseitige Unterstützung, wie Johanna erzählt: “Die waren so begeistert. Das hat mir wieder gezeigt, dass man, glaube ich, gerade in so jungem Alter bei Schülerinnen einfach mal was wecken muss, damit wir miteinander die Berührungsängste verlieren, sodass wir im besten Fall mehr Frauen in die Ausbildung und ins Studium kriegen.”
Unsere neuland-Frauen-Gilde freut sich schon auf das nächste Mal und bedankt sich an dieser Stelle nochmals bei allen Teilnehmerinnen!

Um die festgefahrenen Geschlechterrollen und Stereotypen aufzuweichen, gilt es individuelle Erfahrungen und neue Geschichten zu erzählen. Ein offener und vor allem neugieriger Austausch sowie die Bereitschaft zur Kreation und Kooperation, sind Grundvorraussetzungen, die uns allen helfen können, neue Werte gesellschaftlich und für sich selbst zu formen und weiter zu etablieren. Und auch heute, im Jahr 2022 und nach so vielen Jahren der Frauenbewegungen, liegt es nicht nur an uns Frauen, sondern an uns allen, die vorherrschenden Defintionen von Weiblichkeit und Männlichkeit sowie die darin verankerte dichotome Geschlechterordnung in Frage zu stellen und aufzurütteln. Es liegt an uns, für unsere Wünsche einzustehen und in den Austausch zu gehen, um gemeinsam eine gerechtere und freiere Zukunft zu gestalten. Der richtige Zeitpunkt dafür ist so früh wie möglich, immer und jetzt!

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