17.05.2022 von Anita Schüttler

Diesmal gehe ich der Frage nach, welchen Grund Unternehmen überhaupt haben sollten, ihr Geschäftsmodell von einem linearen auf ein zirkuläres umzustellen.

Teil 2: Warum Kreislaufwirtschaft?

Part I: The Ugly

Beginnen wir mal mit dem, was wir alle wissen: Die meisten Ressourcen dieser Erde sind endlich und es werden jedes Jahr viel mehr davon verbraucht, als der Planet nachproduzieren kann. Um das zu verdeutlichen, gibt es jedes Jahr den "Earth Overshoot Day", also den Tag, an dem die Menschheit schon die Menge an natürlichen Ressourcen verbraucht hat, die die Erde pro Jahr nachproduzieren kann. Dieses Jahr liegt dieses Datum auf dem 29. Juli - in Deutschland war es sogar schon am 4. Mai.

Wir leben und wirtschaften also gerade stark auf Kosten zukünftiger Generationen - und gegen unser aktuelles Wirtschaftsmodell, denn vieles von dem, was heute produziert wird, könnte in absehbarer Zeit aus Mangel an Ressourcen so nicht mehr produziert werden. Von den Auswirkungen des take-make-break-dispose-Vorgehens auf Umwelt und Klima fange ich gar nicht erst an. 😉

Part II: The Bad

Wir sind bei "The Bad" angekommen, wo es so langsam nicht mehr ums Wollen geht, sondern ums Müssen:

Auftritt EU-Kommission! 🎉

Bereits im März 2020 verabschiedete die EU ihren "Circular Economy Action Plan" als wichtigen Baustein des European Green Deal. Zwei Jahre später, am 30. März diesen Jahres, legte die EU-Kommission Vorschläge vor, die es in sich haben. Darin geht es u.a. darum, dass in Zukunft

  • nahezu alle Produkte auf dem EU-Markt während ihres gesamten Lebenszyklus haltbarer werden bzw. repariert, wiederverwendet oder recycelt werden können.
  • fast alle physischen Waren auf dem EU-Markt während ihres gesamten Lebenszyklus, vom Entwurf über den täglichen Gebrauch bis hin zur Entsorgung oder Umnutzung, umweltfreundlicher, kreislauffähiger und energieeffizienter werden.
  • Verbraucher*innen besser über die Nachhaltigkeit von Produkten informiert und vor Greenwashing geschützt werden.

Die Rede ist von "Instrumenten für den Übergang zu einer echten Kreislaufwirtschaft in der EU". Mit anderen Worten: Da kommt was auf uns zu, und das ist auch gut so!

Es gibt aber auch gute Gründe, gar nicht erst auf die Gesetzes- und Vorschriftenkeule zu warten, sondern sich heute schon mit dem Thema Kreislaufwirtschaft auseinanderzusetzen.

Part III: The Good

Wir gehen ja davon aus, dass Unternehmen durch die Produktion von Gütern Wert schaffen. Was aber passiert mit diesem Wert nach dem Verkauf? In einem linearen Wirtschaftsmodell geht er dem Unternehmen verloren, und zwar komplett. Enthaltene Rohstoffe? Verloren. Das Produkt, das nach der ersten Nutzung häufig noch gut genug ist, um weiter genutzt zu werden? Davon profitieren Dritte, z.B. Second Hand-Marktplätze. Während der Produktion anfallender "Müll"? Davon profitiert gar keiner, weder das Unternehmen selbst, noch Dritte, noch die Umwelt.

Auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft nimmt man deshalb als ersten Schritt alle Prozesse im Unternehmen unter die Lupe und identifiziert value leakage, also Wertverluste. Die gefundenen Stellen sind dann Kandidaten für value capture: Umgestaltungen, deren Ziel es ist, den Wertverlust zu stoppen und stattdessen Werte "aufzufangen" und für das Unternehmen produktiv nutzbar zu machen.

Hier ein Beispiel einer Lifecycle-Analyse mit einzeln ausdifferenzierten Stellen von Wertverlust.
Es stammt von Philips, einem Unternehmen, das sich seit den 1990er Jahren der Nachhaltigkeit verschrieben hat und seit 2012 eine eigene Kreislaufwirtschafts-Agenda verfolgt (Bild zur Verfügung gestellt via EllenMacArthurFoundation):

Die Expert*innen in Sachen Kreislaufwirtschaft sind sich einig, dass kein Weg um die Umstellung auf ebendiese herum führt. Wie immer gilt jedoch, dass sich die Unternehmen, die sich als erste auf den Weg machen, durch frühes Scheitern und aus Fehlern Lernen Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen können.

The End

Was in wirtschaftlichen Betrachtungen üblicherweise zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass es Werte gibt, die nicht oder nur sehr schwer mit einem Preisschild versehen werden können. Dazu gehört eine lebenswerte Umwelt genauso, wie das Ansehen eines Unternehmens, sein Ruf. Immer mehr Menschen ist es wichtig, bei Unternehmen zu kaufen, die nicht nur an das Hier und Jetzt denken, sondern sich für ein gutes Morgen einsetzen. Was gerade noch ein nice to have ist, kann heute und morgen schon ein klarer Wettbewerbsvorteil sein - oder die Voraussetzung dafür, überhaupt noch wirtschaften zu dürfen.

Soweit zu Teil 2 dieser Reihe. Beim nächsten Mal soll es darum gehen, wie man von value leakage zu value capture kommen kann.

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Die Autorin

Anita Schüttler
ist seit 2010 bei neuland, Software-Entwicklerin mit Expertise in Green IT, Nachhaltigkeit und Circular Economy, und Gründerin von neulands Nachhaltigkeits-Team.