19.07.2022 von Anita Schüttler

Erfolgreich ein zirkuläres Geschäftsmodell zu betreiben geht nur in Zusammenarbeit mit Anderen, vor allem mit den Unternehmen, die in der Lieferkette vor und nach dem eigenen Unternehmen angesiedelt sind. Deshalb widme ich den letzten Artikel dieser Reihe zur Kreislaufwirtschaft der Frage:

Teil 5: Welche Rolle spielen Partnerschaften und Kollaborationen in der Circular Economy?

Ich habe inzwischen viel darüber geschrieben, dass in der Circular Economy immer der gesamte Lebenszyklus eines Produkts, von seinen allerersten Anfängen bis zu seinem Lebensende, eine Rolle spielt. Um möglichst geschlossene Kreisläufe aufzubauen, muss man deshalb alle Akteure - alle Stakeholder - entlang dieser Wertschöpfungskette in den Blick nehmen.

Das kann zum einen Wertverluste auf der Strecke verhindern, zum anderen schafft es ein Bewusstsein dafür, auf wen und was die eigenen Produkte einen Einfluss haben, weil dann neben Zulieferern und Kund*innen z.B. auch die eigenen Angestellten, Geschäftspartner*innen und die Umwelt einbezogen werden.

Meist können Herausforderungen, an denen ein Unternehmen allein scheitert, durch den Beitrag eines anderen Unternehmens doch noch gemeistert werden. Arbeiten beide gemeinsam an der Lösung, entstehen oft sogar unerwartete, noch bessere Ergebnisse. Selbst die Zusammenarbeit mit fachfremden Sektoren kann wertvollen Input für die eigene Reise bringen.

Man unterscheidet bis zu vier Typen von Kollaborationen. Ich möchte dazu jeweils ein Beispiel anführen, um zu zeigen, wie das in der Praxis aussehen kann. Die Möglichkeiten und bereits heute auffindbaren Praxisbeispiele würden den Rahmen dieses Artikels sprengen.

1. Vertikale Netzwerke: Kollaboration innerhalb der eigenen Lieferkette

In Teil 4 dieser Serie stellte ich Riversimple vor, ein Unternehmen, das Elektroautos mit Wasserstoff-Antrieb baut, die man nur leasen, nicht kaufen kann.
Riversimple fertigt seine Komponenten nicht selbst. Um sicherzustellen, dass seine Zulieferer ein genauso hohes Interesse daran haben, die gelieferten Komponenten so zu bauen, dass sie möglichst langlebig sind und bestmöglich arbeiten, verwendet Riversimple dasselbe Bezahlmodell wie für seine Autos: pay per use!

Für seine Wasserstoffzellen hat das walisische Unternehmen z.B. eine Kollaborationskette initiiert, die es als "circular value network for fuel cells" bezeichnet: Riversimple least die Wasserstoffzellen von deren Hersteller. Der Hersteller der Wasserstoffzellen least die darin enthaltenen Membranen. Selbst das in den Membranen enthaltene Platin kann geleast werden, da es nur als Katalysator dient und sich deshalb nicht verbraucht.

Die Konsequenzen sind enorm: weil jedes Glied in dieser Kette Eigentümer dessen bleibt, was es herstellt, entkoppelt sich die Herstellung zusehends vom Bedarf an Rohmaterialien. Denkt man das ein paar Jahre in die Zukunft, wäre selbst das Bergbau-Unternehmen, das das Platin abbaut, irgendwann unabhängig von virgin Platin, könnte seine Abbautätigkeit also einstellen und sein Geld komplett mit dem Verleih von bereits in der Vergangenheit abgebautem Platin verdienen.

Arbeitest Du in einem produzierenden Unternehmen?
Welche Bestandteile Eurer Produkte könnten geleast werden?

2. Horizontale Netzwerke: Kollaboration außerhalb der eigenen Lieferkette

In Europa werden täglich große Mengen Kaffee getrunken, wobei jedes Jahr ca. 7 Millionen Tonnen Kaffeesatz als Abfallprodukt entstehen. Die belgische Firma PermaFungi nutzt Kaffeesatz als Grundlage, um damit im großen Stil Pilze zu züchten. Aus Überresten aus der Produktion von Austernpilzen stellt PermaFungi wiederum biologisch abbaubare Produkte her, z.B. Lampenschirme oder Dämmplatten. Auch andere Firmen nutzen Kaffeesatz als Ausgangsmaterial und stellen damit z.B. Schuhsohlen, Kaffeetassen oder Uhren her.

Horizontale Netzwerke können mit einem sehr breiten Spektrum von Akteuren aufgebaut werden, darunter Mitbewerber*innen, produzierende Unternehmen aus ganz anderen Branchen, (Nicht-)Regierungsorganisationen, Bildungseinrichtungen,...

Welche Teile Eurer Produktion könnten durch kreislauffähige Alternativen ersetzt werden?

3. Eins-zu-eins Beziehungen

Im Onlinehandel werden täglich viele Millionen von Paketen verschickt. Dabei entstehen große Mengen an Papp- und Plastikmüll allein schon für die Verpackung. Mehrweg-Versandverpackungen wie z.B. die von hey circle, Rhinopaq oder RePack, die z.T. selbst wiederum aus Rezyklat hergestellt sind, stellen eine gute Alternative dar.

In dieser Form von Kollaboration arbeitet das Unternehmen eng mit einem Partner innerhalb eines zirkulären Netzwerks zusammen, um ein bestimmtes Problem zu lösen.

4. Wissensaustausch und gemeinsames Lernen

Die EllenMacArthurFoundation als weltweit führende Organisation zur Verbreitung der Circular Economy stellt nicht nur einen riesigen Fundus an Bildungs- und Informationsmaterial kostenlos zur Verfügung, sie arbeitet auch weltweit mit vielen Unternehmen zusammen, um deren Geschäftsmodelle in Richtung Circular Economy weiterzuentwickeln. Dementsprechend gibt es auf der Seite der Organisation auch viele Fallbeispiele, die man sich anschauen kann. Für Austausch und gemeinsames Lernen dient auch die dazugehörige LinkedIn-Gruppe "Circular economy community – Ellen MacArthur Foundation".

Allen, die gerne mehr Informationen und Anleitung hätten beim Thema "Kollaboration in der Circular Economy", empfehle ich das Paper "Will you be my partner? Nine steps to identify and establish successful collaborations for a Circular Economy".

neulands Beitrag

Ich habe lange überlegt, was neulands Rolle bei der Nachhaltigen Transformation sein könnte. Wir produzieren selbst keine physischen Güter, "nur" Software. In einer funktionierenden Circular Economy wird Software eine wichtige Rolle spielen - Rohstoffe, Materialien und Produkte müssen z.B. auf ihrer Reise nachverfolgt werden. Was heute schon mit gewaltigem Aufwand, Expert*innen vor Ort und mal mehr, mal weniger Hype-Technologie für seltene Rohmaterialien gemacht wird, muss in Zukunft auch für deutlich kleinere Unternehmen und eine sehr große Bandbreite von Produkten funktionieren - digitaler Produktpass lässt grüßen. Trotzdem: unser Kerngeschäft ist erstmal ein ganz anderes.

Was die Zukunft bringt, weiß man nicht, aber erstmal beginnen wir mit dem Naheliegenden. Unsere Branche ist der E-Commerce, und wir alle wissen: da gibt es in weiten Teilen noch sehr viel Luft nach oben in Sachen Nachhaltigkeit. Unser Metier ist die Software-Entwicklung, und auch, wenn der Code, den wir bei neuland produzieren, heute schon viele Kriterien an Green IT erfüllt, so haben wir doch immer noch viel zu lernen. Das wollen wir gerne tun, in einem einwöchigen Forschungsprojekt Ende September. Wir laden alle Interessierten ein, dabei zu sein und mit uns zusammen zu lernen!

"Buten un Binnen, Wagen un Winnen"

neuland kann nicht nur Software auf technisch sehr hohem Niveau, wir haben auch durch unsere langjährigen Kundenbeziehungen jede Menge Wissen über die Domäne unserer Kunden. Beides werden wir in Zukunft kombinieren mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit, oder um es anders zu formulieren: Wir wollen nicht einfach gute E-Commerce-Shops bauen, wir wollen in jeder Hinsicht nachhaltige Shops bauen!

Daher gibt es jetzt, über die letzten Wochen und Monate gereift, ein Team bei neuland, das sich komplett dem Thema Nachhaltigkeit im E-Commerce verschrieben hat, bestehend aus Therese Flämig und mir. Unser Angebot an Euch da draußen:

Wir helfen Euch, das Einkaufen in Eurem Shop nachhaltig zu machen -
und starten dort, wo Ihr heute seid.

Und so kommen wir am Ende doch wieder beim Thema Kollaboration an: am schnellsten werden wir sein, die besten Lösungen werden wir finden, wenn wir alle zusammenarbeiten:

  • Kommt in unsere LinkedIn-Gruppe "Nachhaltigkeit im E-Commerce" und tauscht Euch mit Anderen aus, die bei dem Thema aktiv sind.
  • Kommt zu den digitalen MeetUps der Gruppe, jeweils am letzten Dienstag des Monats.
  • Kommt auf Therese und mich zu: wir bieten uns an als Sparringspartnerinnen für die Nachhaltige Transformation Eures Shops, mit langjährigem E-Commerce- und technischem Know-How und einem großen Fundus an Wissen, Kontakten und guten Ideen.

Mit dieser Einladung verabschiede ich mich von dieser Blogartikel-Reihe.
Wer's bis hierher geschafft hat: danke fürs Dranbleiben! 🙂

- Anita

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Die Autorin

Anita Schüttler
ist seit 2010 bei neuland, Software-Entwicklerin mit Expertise in Green IT, Nachhaltigkeit und Circular Economy, und Gründerin von neulands Nachhaltigkeits-Team.