07.06.2022 von Anita Schüttler

Mit diesem Artikel möchte ich den Teil der Serie eröffnen, bei dem es um die praktische Transformation hin zur Circular Economy gehen soll:

Teil 3: Wie kann man von einem linearen zu einem zirkulären Geschäftsmodell kommen?

Beim letzten Mal erzählte ich, dass es in der Kreislaufwirtschaft immer um den Erhalt von Wert geht. Ein guter erster Schritt ist deshalb, sich die Wertschöpfungskette anzuschauen und zu ermitteln, an welchen Stellen Wertverlust stattfindet. Am wertvollsten sind Produkte direkt nach der Herstellung, deshalb ist eine ganz große, elementare Quelle von Wertverlust der Moment, in dem das hergestellte Produkt verkauft wird.

"Moment mal - das ist doch aber genau das Ziel unseres Unternehmens: unsere Produkte zu verkaufen!?"

Überraschung: Ein Unternehmen, das nach einem zirkulären Prinzip funktioniert, hat das gegenteilige Interesse, nämlich seine Produkte nach Möglichkeit nicht zu verkaufen. Wie also machen solche Unternehmen stattdessen Umsatz? Da gibt es unterschiedliche Wege:

  1. Verkaufe nicht das Produkt, sondern seine Nutzung!

    Signify verkauft z.B. "Light as a Service". Anstatt Leuchten oder die Leuchtmittel kann man Beleuchtung kaufen. Die Firma kümmert sich um alles, was dafür benötigt wird, vom ersten Konzept über die Installation bis zur Wartung. Für die Kund*innen lohnt sich das bereits ab dem ersten Jahr.
    Auch Anbieter wie Spotify (Musik anstatt CDs/Platten) und Video-Streamingdienste wie Netflix und Co. sind Beispiele für dieses Modell. Selbst Autohersteller wie Renault gehen in Richtung Mobility as a Service, anstatt weiter mit dem Verkauf von Autos zu planen.

  2. Biete dein Produkt im Abo an!

    Dabei geht es nicht um z.B. Zeitungs-Abos, wo Kund*innen die Zeitung kaufen und sie ihnen dann gehört. Gemeint sind Leasing-Modelle: ich behalte das Produkt für Zeitraum X, bezahle dafür Betrag Y und gebe das Produkt dann zurück, um im Tausch ein neues zu bekommen.
    Dieses Modell bietet sich an für Produkte, die heute häufig nach kurzer Zeit ausgetauscht werden, weil Konsument*innen gerne Abwechslung haben wollen oder es vorziehen, stets das neueste Modell zu benutzen. Das Hamburger Startup unown bietet z.B. Kleidung zum Leasen an, und auch für digitale Geräte wie Handys, Kopfhörer und Co. gibt es bereits eine Reihe von Anbietern.

  3. Verleihe deine Produkte!

    Dieses Modell eignet sich vor allem für Produkte, die selten gebraucht werden und teuer in der Anschaffung sind: Abendkleidung, Werkzeug oder Spezialfahrzeuge wären gute Beispiele, aber auch Umzugskartons, die nach dem Umzug nicht mehr gebraucht werden und dann nur rumliegen.

  4. Kaufe deine eigenen Produkte zurück!

    Anstatt die eigenen Produkte und damit den Wert, den sie darstellen, Dritten auf dem Second-Hand-Markt zu überlassen, können Unternehmen sie selbst zurückkaufen. Den Anreiz dafür schaffen Rückkauf-Prämien (wie Pfand, in groß). Die Produkte können dann wiederaufbereitet und ggf. repariert werden, bevor sie vom Unternehmen selbst als "so gut wie neu" wiederverkauft und damit einem zweiten Nutzungszyklus zugeführt werden. Selbst Produkte, die dafür zu kaputt sind, können noch zerlegt werden und ihre noch funktionstüchtigen Einzelteile bei der Herstellung neuer Produkte Verwendung finden.

  5. Biete Dienstleistungen an, die produzierende Unternehmen brauchen, um eine Kreislaufwirtschaft aufbauen zu können!

    Einiges von dem, was unter diesen Punkt fällt, gibt es für manche Branchen oder Anwendungsfälle bereits, muss aber in Zukunft auf voller Breite für diverse Bereiche entstehen. Dazu zählen klassische Reparatur-Services (um die Lebensdauer von Produkten zu verlängern), aber auch Rück-Logistik (das Wiedereinsammeln von Produkten nach dem ersten Gebrauch), die Wiederaufbereitung sowie das Zerlegen von Produkten und Katalogisieren der Einzelteile für die Weiterverwendung - und als letzte Option das Recycling, was dafür sorgt, dass Materialien und Rohstoffe nicht verloren gehen. Auch die Notwendigkeit, Materialflüsse zu tracken und Lieferketten nachverfolgen zu können, bietet Optionen für Geschäftsmodelle.

  6. Finde eigene Wege, einen Mehrwert für deine Kunden - und die Umwelt - zu schaffen, ohne deine Produkte zu verkaufen!

    Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft noch mehr und andere Formen von innovativen Geschäftsmodellen rund um Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit antreffen werden. Wer neugierig geworden ist und sich umfassender mit Möglichkeiten und Patterns befassen will, dem sei das Buch Sustainable Business Model Design von Lüdeke-Freund, Breuer und Massa empfohlen.

Die Umstellung schaffen

Häufig scheuen sich Unternehmen, den ersten Schritt auf unbekanntes Terrain zu tun, weil es noch keine oder kaum unterstützende Strukturen gibt und man sich dem first mover disadvantage aussetzt. Ein guter Weg, dieses Risiko abzumildern und die initialen Kosten aufzuteilen, sind Kooperationen mehrerer Unternehmen mit dem Ziel, eine Infrastruktur (z.B. für Rück-Logistik und das Zerlegen und Katalogisieren von Einzelteilen) aufzubauen, die dann von allen genutzt werden kann, und dabei gemeinsam zu lernen. Wenn ein Unternehmen diese Investitionen allein stemmt, kann es die aufgebaute Infrastruktur später gewinnbringend als Service an andere Unternehmen verkaufen. Unbezahlbar ist dagegen die Möglichkeit, früh Erfahrungen zu sammeln und Expertise aufzubauen und sich so einen Vorteil gegenüber der zögernden Konkurrenz zu verschaffen.

Ausblick

Das soll für heute reichen. Beim nächsten Mal geht es weiter mit dem "Wie kann man das umsetzen?". Ich möchte dann darüber schreiben, wie sich der Umstand, dass Produkte nicht mehr verkauft werden sollen, auf deren Design auswirkt, und wie Produkte designt sein müssen, um den Anforderungen einer Kreislaufwirtschaft gerecht zu werden.

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Die Autorin

Anita Schüttler
ist seit 2010 bei neuland, Software-Entwicklerin mit Expertise in Green IT, Nachhaltigkeit und Circular Economy, und Gründerin von neulands Nachhaltigkeits-Team.